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Ein hannoversches Unternehmen hat einen miniaturisierten Drucksensor entwickelt, der im Auge implantiert werden kann. Seine Messungen sollen helfen, die Augenerkrankung Glaukom präziser zu diagnostizieren, charakterisieren und zu therapieren. Darüber hinaus hat der Minichip das Potential, für weitere medizinische Anwendungen zum Einsatz zu kommen.

 

Unter dem Begriff Glaukom (landläufig auch als grüner Star bezeichnet) wird eine Gruppe multifaktoriell bedingter Augenerkrankungen zusammengefasst. Ihnen gemeinsam ist die fortschreitende Schädigung der Sehzellen im Auge und des Sehnervs, der Verbindung zum Gehirn. Die Degeneration macht sich in späteren Stadien der Krankheit durch Einschränkungen im Sichtfeld der Betroffenen bemerkbar. Unbehandelt kann ein Glaukom zur vollständigen Erblindung führen. In Deutschland leben ca. ein Millionen Menschen mit Glaukom, bei einer geschätzten weiteren Million ist die Krankheit bisher nicht diagnostiziert.
Während die vielfältigen Ursachen und Verläufe der Erkrankung noch weitgehend unerforscht sind, hat sich die medikamentöse Senkung von erhöhtem Augeninnendruck als häufig wirksame Therapie erwiesen. Sie kann den Verlauf der Zellschädigung in vielen Fällen aufhalten. 
Heute ist es oft nötig, Patienten im Rahmen der Diagnose und Therapie eines Glaukoms zeitweise stationär aufzunehmen. Mittels der Applanationstonometrie nach Goldmann wird über einen Zeitraum von 24 Stunden regelmäßig ihr Augeninnendruck gemessen. Besondere Bedeutung wird der nächtlichen Kontrolle beigemessen: Kein niedergelasser Arzt hat nachts Sprechstunde, so dass dieser Wert ambulant nie gemessen wird. Gleichzeitig ist die Bewertung gerade der nächtlichen Messung besonders knifflig. Allein durch das Aufwecken und eine Lageveränderung kann sich der Druck im Auge verändern.

Den tatsächlichen Druck auch während Schlafes kann dagegen der Mini-Sensor EYEMATE ermitteln, den die Implandata Ophthalmic Products GmbH in Hannover entwickelt hat. In eine Silikonhülle verpackt ist der Sensor nur wenige Millimeter groß und kann – z.B. im Rahmen einer Operation zum Einsatz einer künstlichen Linse – im Auge platziert werden. Er wird von einem äußeren Sender angesteuert, der ihn mit Energie versorgt und die gemessenen Daten ausliest. Der Sender kann beispielsweise im Bügel einer speziellen Brille oder in einer Schlafmaske integriert sein. So kann ein Patient zu jeder Tages- und Nachtzeit seinen Augeninnendruck ermitteln oder ermitteln lassen – sogar im Schlaf. 

In den bisherigen Tests mit Patienten habe diese Möglichkeit die Medikamenten-Compliance deutlich gefördert. Bisher hatten sie keine Möglichkeit, zwischen zwei Arztbesuchen zu wissen, wie sich ihr Augeninnendruck entwickelt. “Ging es ihnen gut, ließen sie ihre Medikamente schon mal weg,” erzählt Max Ostermeier, Mitgründer und Geschäftsführer von Implandata. “Jetzt können sie sofort sehen, wie sich der Druck verändert und dass es wichtig ist, die Medikamente weiter einzunehmen.” 
Und obwohl es quasi keine Vergleichsdaten über den Augeninnendruck gesunder Menschen gibt, bauen zahlreiche Augenärzte auf die optimierten Messungen per EYEMATE, um die Therapie von Glaukompatienten zu verbessern.

9 Millionen Euro hat Implandata seit 2010 in die Entwicklung eines kleinen, präzisen, dauerhaften und sicheren Chips für diesen Zweck investiert. Das Unternehmen hält einen Exit in den kommenden Jahren für realistisch wenn auch nicht unbedingt notwendig. Der Sensor soll zunächst Selbstzahlern für einen Betrag von ca. 2.500 Euro zur Verfügung stehen, langfristig will Implandata aber auch die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen erreichen.
Die nächste Generation von Sensoren soll zudem nur noch rund 1,2 x 2 Millimeter groß sein. Diese könnten dann, unabhängig von einer Linsen-Operation und vielleicht sogar per Injektion, unter die Lederhaut des Augapfels eingesetzt werden. 
Darüber hinaus gibt es diverse weitere Einsatzmöglichkeiten im medizinischen Bereich für einen derartigen Sensor. Sie reichen im wahrsten Sinne des Wortes von Kopf bis Fuß; vom Einsatz bei Hydrozephalus mit Shunt-Drainage, über die linksarterielle Druckmessung bei Patienten mit Herzschwäche zur Früherkennung von Kompensation bis hin zur plantaren Messung beim diabetischen Fuß.