+49 173 900 8703 info@wibior.de

Unternehmer mit ausgeprägter Eigeninitiative sind wirtschaftlich erfolgreicher als ihre Mitbewerber am Markt. Für das Unternehmenswachstum ist diese persönliche Eigenschaft des Inhabers sogar entscheidender als seine fachliche Ausbildung. Professor Michael Frese belegt diesen Zusammenhang in mehreren internationalen Studien. Und findet eine neue Antwort auf die Frage: Ist erfolgreiches Unternehmertum angeboren?

 

Als ich mich beruflich selbstständig machte, belegte ich einen Gründerkurs bei der lokalen Wirtschaftsförderung. In den abendlichen Sitzungen sollten die Dozenten uns Aspekte der Buchführung, des Marketing und des Steuerwesens vermitteln. Mehrere Teilnahmezertifikate schlummern seither in Ordnern neben meinem Schreibtisch. Doch hat der Kurs mir tatsächlich zu wirtschaftlichem Erfolg verholfen? Mangels Kontrollgruppe kann ich das kaum einschätzen.
“Eher nicht,” würde vermutlich Michael Frese urteilen. Der Lüneburger Professor ist Spezialist für Innovationsforschung und Entrepreneurship. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Frage, welche Eigenschaften Menschen zu erfolgreichen Unternehmern machen. Frese prägte den Begriff der – unternehmerischen – Eigeninitiative. Menschen, bei denen sie stark ausgeprägt ist, planen und handeln aus eigenem Antrieb proaktiv und zukunftsorientiert. Sie erkennen und ergreifen Gelegenheiten und folgen einer Vision für ihr Unternehmen, die sie motiviert, auch nach Rückschlägen ihre Ziele konsequent weiter zu verfolgen. 
In mehreren internationalen Studien sammelte Frese mit seinen Kollegen Hinweise darauf, dass Eigeninitiative ein Schlüsselelement unternehmerischen Erfolgs ist.

Seine umfangreichste und detaillierteste Studie erschien diese Woche im fachübergreifenden Spitzenmagazin Science. Insgesamt 1500 Inhaber kleiner und mittlerer Unternehmen in Togo konnten Frese und seine Mitarbeiter für die Teilnahme gewinnen. Ein Drittel der Teilnehmer erhielten das nach internationalen Standards anerkannte “Business Edge” Unternehmertraining, inhaltlich vergleichbar mit meinem Gründertraining. Eine zweite Gruppe durchlief eine von Frese entwickelte Schulung zur Stärkung der unternehmerischen Eigeninitiative. Die dritte Gruppe erhielt kein Training. Für vier Monate nach der Schulung erhielten Kursteilnehmer zusätzlich individuelle Beratung zur Umsetzung der gelernten Konzepte.

Viermal, im Abstand von sechs Monaten maßen die Wissenschaftler die Performance der untersuchten Unternehmen. Insgesamt fanden sie dabei keine positive Wirkung der klassischen Unternehmerschulung auf Verkaufszahlen oder Geschäftsgewinne. Im Gegensatz dazu führte das neu entwickelte Training der Eigeninitiative in den Unternehmer der Teilnehmer zu signifikant und deutlich besseren Ergebnissen. Zudem zeigte sich, dass die auf Eigeninitiative geschulten Unternehmer ihr Personal und Inventar besonders effizient nutzen und dass sie innovativer sind als die Teilnehmer der Vergleichsgruppen. Auch fiel es ihnen statistisch leichter, von Investoren größere Summen einzuwerben.
Erstaunlicherweise maßen die Forscher bei den Teilnehmern des Eigeninitiative-Trainings auch eine deutlich verbesserte Anwendung diverser unternehmerischer Konzepte, obwohl das Training diese nicht oder nur am Rande behandelte. Es scheint, ihre gestärkte Eigeninitiative befähigte oder motivierte die Inhaber dazu, sich neue Konzepte anzueignen und diese im Unternehmen umzusetzen. Frese und seine Koautoren gehen davon aus, dass ihr Training die Denkweise der Teilnehmer grundlegend und nachhaltig verändert.

Hierin liegt für Frese eine neue Perspektive auf die alte Frage danach, ob unternehmerisch Fähigkeiten angeboren oder erlernbar sind: Sie gründen zwar eher auf persönliche Eigenschaften als auf gelerntem Fachwissen. Diese persönlichen Eigenschaften lassen sich aber durchaus und offensichtlich sehr effizient modellieren.
Die Eindeutigkeit, mit der seine Studie dies belegt, hat Frese selber überrascht. Seine Erwartungen waren vorsichtig, denn er hat die Erfahrung gemacht, dass „bei Interventionsstudien* oftmals bessere Designs zu schlechteren (konservativeren) Ergebnisse führen. Ganz ehrlich,” so der Professor, “mich haben die Ergebnisse auch umgehauen.”
Konkret schlägt Frese vor, Unternehmer statt in den herkömmlichen Rundum-Schulungen lieber in kurzen, theoriebasierten und thematisch kohärenten Trainings weiterzubilden. 
In einer früheren Studie mit deutschen Teilnehmern betrachtete Frese als Maß für gesundes Wachstum die Anzahl der Mitarbeiter kleiner und mittlerer Unternehmen. Er fand, dass die Schulung zur Eigeninitiative innerhalb eines Jahres zu einer signifikant erhöhten Zahl von Einstellungen führte. Frese rechnet anhand der Koten für das von ihm entwickelte Training vor: Pro 2000 Euro Investition in kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland könnte je ein neuer Arbeitsplatz entstehen.
Das sollte die Wirtschaftsförderer zum Nachdenken bringen. Vielleicht gibt es ja Kurse zur Eigeninitiative, wenn ich das nächste Mal gründe?

*Intervention: der Begriff steht hier für die Schulung der Teilnehmer